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Italienisches Wirtschaftsstrafrecht: die drei Voraussetzungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen


Aufgrund supranationaler Entwicklungen in den 90er Jahren hat Italien eine Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen durch das Gesetzesdekret vom 8. Juni 2001, Nr. 231, eingeführt. Der durch dieses Dekret normierte Unrechtstatbestand setzt sich aus der Vortat, dem Organisationsverschulden und dem Interesse oder Vorteil des Unternehmens bei der Begehung der Straftat zusammen. 

 

Das Vorliegen der Vortat

Das Gesetzesdekret enthält einen umfangreichen Katalog von Straftaten, die auch juristischen Personen zugerechnet werden können. Im Laufe der Zeit wurde dieser  Deliktskatalog sukzessive erweitert, indem nahezu jährlich neue Straftaten aufgenommen wurden, die im Rahmen der Unternehmenstätigkeit begangen werden können.

In Bezug auf das Vorliegen der Vortat ist zu beachten, dass ein Freispruch der natürlichen Person automatisch zur Entlastung des Unternehmens führen würde. Des Weiteren würde das Fehlen von Anklagen gegen die natürliche Person, die das Unternehmen vertritt, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person und deren Einbeziehung in das Verfahren von vornherein ausschließen.

 

Das Organisationsverschulden

Das Organisationsverschulden beruht auf dem Vorwurf, dass das Unternehmen seiner Verpflichtung, die notwendigen organisatorischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen zur Verhinderung der Begehung der im Dekret 231/01 ausdrücklich genannten Straftaten innerhalb des Unternehmens zu ergreifen, nicht nachgekommen ist.

Diese Vorkehrungen müssen in einem Dokument festgehalten werden, das die Risiken identifiziert und die Maßnahmen zur ihrer Bekämpfung beschreibt. Die wirksame Implementierung eines  Compliance-Modells zur Risikoverwaltung kann das Unternehmen von der Verantwortlichkeit für die von natürlichen Personen, Führungskräften oder Mitarbeitern, begangenen Straftaten innerhalb des Unternehmens entlasten.

 

Das Interesse und der Vorteil für das Unternehmen

Der Unrechtstatbestand des Unternehmens setzt eine funktionale Beziehung zwischen dem Täter und dem Unternehmen sowie eine teleologische Beziehung zwischen der Straftat und dem Unternehmen voraus.

Diese besteht, wenn die Straftat im Interesse des ihr Vertreter, ob leitend oder untergeordnet, Unternehmens begangen wurde oder das Unternehmen daraus einen Vorteil erlangt hat. Es reicht daher nicht aus, dass der Täter der Straftat ein Mitarbeiter des Unternehmens ist, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der juristischen Person zu begründen.

Es muss auch nachgewiesen werden, dass der Vertreter des Unternehmens, ob leitend oder untergeordnet, im Interesse oder zum Vorteil des Unternehmens gehandelt hat. Um die Verantwortlichkeit des Unternehmens festzustellen, darf die vom Mitarbeiter begangene Straftat nicht zu eigenen Zwecken begangen worden sein, die möglicherweise sogar im Widerspruch zu den Interessen des Unternehmens stehen könnten. Im Gegenteil, die Straftat muss begangen worden sein, um dem Unternehmen einen Nutzen zu bringen.

Diese Anforderung ist bei fahrlässigen Straftaten schwieriger nachzuweisen, bei denen der einzige Vorteil des Unternehmens möglicherweise in einer Kostenersparnis bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Arbeitssicherheit bestehen könnte.

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